Eine Sammlung zum Thema Zahlen von Dr. Michael Stelzner

Die Kalenderordnung – gesehen unter zahlensymbolischen Aspekten

(Kalenderordnung symbolisch.docx)

 (beachte auch Aufsatz: Zwei Kalenderordnungen: …  zwischen den Jahren“ oder das „zwischen den Dimensionen“ / hier Link setzen)

Inhalt

 

  1. Die Jahreseinteilung der Germanen und die Raunächte
  2. Die vier Kriterien des Jahres: Sonnenjahr, Monate, Woche und Schaltjahr
  3. Der Jahresbeginn
  4. Der Begriff „Sylvester“ und der „gute Rutsch“
  5. Die Bezeichnung der Monate und die Tage eines Monats

 

 

 

Die Jahreseinteilung der Germanen und die Raunächte

 

Vor der Beschreibung der vier Kriterien, die zum bekannten Julianischen Kalender führten, möchte ich die Jahreseinteilung der Germanen zu erwähnen, denn ihrer Tradition entstammt die Bezeichnung der sogenannten Raunächte, die Nächte „zwischen den Jahren“.

(nochmals gleichen Link setzen)

 

Die Germanen teilten das reale und etwas Irrationales enthaltene Jahr von 365 Tagen nach dem Mondrhythmus. Das Sonnenjahr umfasst 12 Mondzyklen. Die übrigen 11 bzw. 12 Tage blieben für den rational erfassenden, menschlichen Geist im Dunkeln. Man bezeichnete sie als „Raunächte“. Da man aber trotz aller Abweichungen und Irrationalitäten einer ewig bestehenden Einheit, Ganzheit und Vollkommenheit gewiss war und diese im höchsten Licht, in der Sonne sah, postulierte man bewusst – und damit in gewissem Maße gegen die eigene Vernunft -, dass an diesen Tagen „dazwischen“ die Sonne stillstand. In diesem paradoxen Akt wurde der Verstand in das ewige Ganze, das sowohl Rationales und als auch Irrationales umfasst, eingebunden. Der Blick zurück lässt manchen vielleicht diese Leistung als primitiv erscheinen. In Wirklichkeit aber verbirgt sich in ihr der Versuch, das auszudrücken, was wir in den Worten Sokrates hören und gern akzeptieren: „Ich weiß, dass ich nichts weiß“.

 

Es ist der „übermächtige Rest“ des Nichtwissens, dem wir Menschen immer ausgesetzt sind und den wir als Ordnung begreifen wollen, weil wir wissen, dass die Ordnung uns hervorgebracht hat. Wir suchen die Ordnung auf verändernde Weise im Jahreslauf zu erfassen. Sie aber bringt immer wieder, wie alle Kalenderordnungen zeigen, einen „Rest“ mit sich.

 

 

Die vier Kriterien des Jahres: Sonnenjahr, Monate, Woche und Schaltjahr

 

Der Julianische Kalender wurde 46 v. Chr. von Julius Cäsar festgelegt. Er richtete sich nicht nach dem „kleinen Licht“, dem Mond, sondern nach dem großen, der Sonne (1). Das Sonnenjahr hat ca. 365 ¼ Tage[1]. Weil das Kleine (2, Mond) und das Große (1, Sonne) eine hierarchische Ordnung abbilden mussten, so wie es der Mondrhythmus im Groben auch vorgibt, wurde das Sonnenjahr in 12 Monate unterteilt.

 

Das die Menschen täglich, also unmittelbar betreffende Kriterium der Ordnung war die Siebenzahl – die Verbindung des Jenseits und Irrationalem mit dem Irdischen und Rationalem. Diese aus dem Jüdischen kommende und einsichtige Verbindung verlangte die Sieben-Tage-Woche.

 

Die so vorgestellte Ordnung von Woche, Monat und Jahr war, gemessen an der Wirklichkeit, nicht vollständig. Es gab eine über alle sorgfältig ausgewählten Kriterien hinausgehende und weiter bestehende Differenz. Sie nun konnte nur noch durch die Vierzahl, das Sinnbild des Logos ausgeglichen werden, denn sie liefert das letzte und höchste Kriterium für das Zusammenwirken von Einheit und Vielheit. Das führte endlich zum Schaltjahr alle vier Jahre.

 

Das Julianische Jahr wies trotz Schaltjahr noch eine kleine Differenz zur Wirklichkeit auf. Es war 11 Minuten zu lang, was nach 130 Jahren zu einem überzähligen Tag führt. Im 16. Jahrhundert entstand zwischen der errechneten Tag- und Nachtgleiche und der tatsächlichen eine Kluft von 11 Tagen. Daraufhin ließ Papst Gregor XIII. zur Korrektur der Abweichungen den heute noch gültigen „Gregorianischen Kalender“ verkünden. Auf den damaligen 4. Oktober 1582 folgte gleich der 15. Zugleich sieht der Kalender für die Zukunft vor, dass alle 100 Jahre ein Schaltjahr entfällt, aber alle 400 Jahre wiederum diese Ausnahme entfällt (z.B. im Jahr 2000).

 

 

Der Jahresbeginn

 

Die letzte Frage war die nach dem Jahresbeginn. Sie war insofern sehr subjektiv, weil man sich der Ganzheit des Zyklus im Sinne eines Kreises bewusst war. An welcher Stelle man den Kreis „aufschneidet“, ihn „entrollt“ und der linearen Betrachtung zuführt, ist sichtbar eine Frage des subjektiven Blicks. Die Linearität ist eine notwendige, aber stets unvollkommene Sichtweise. Der Jahresbeginn wurde deshalb auch sehr unterschiedlich gehandhabt. Seine endgültige Festlegung auf den 1. Januar erfolgte erst 1691 durch Papst Innozenz XII.

 

 

Der Begriff „Sylvester“ und der „gute Rutsch“

 

Man wünscht sich im Untergang des Alten einen guten Anfang im Neuen. Das hebräische Wort für Anfang ist „Rosch“, was auch die Bedeutung von „Haupt des Stieres“ hat.[2] Ein Stierhaupt erfasst mit seinem Haupt die Polarität der zwei Hörner als ein zusammenfassendes Ganzes. Es ist ein Symbol für die alles durchdringende, triadische Ordnungsstruktur der Welt. Dieses „Rosch“ wünschen wir uns heute noch zu Sylvester in der Form „des guten Rutsches“ ins Neue. Das Ende des Alten ändert für den sterblichen Menschen unter dem Aspekt des „Rosch“ auch die Bedeutung des Todes. Das sollte die Namensgebung für den letzten Tag auch aussagen. Man benannte ihn nach Papst Silvester I., dem Bischof von Rom, der am 31. Dezember 335 verstarb und später heilig gesprochen wurde.[3]

 

Ergänzend zur alternativen Deutung des Wunsches „Guten Rutsch“ als „Gute Reise“ soll erwähnt werden, dass diese moderne Deutung der tiefgründigen Herkunft des Wunsches nicht widerspricht, ihn vielmehr in einem einfachen Verständnis bekräftigt. Das hat wesentlich zur Verbreitung des Brauchs beigetragen.

 

Auch wenn der Jahresbeginn örtlich unterschiedlich gehandhabt wurde und erst im Jahre 1691 durch Papst Innozenz XII. auf den 1. Januar endgültig festgeschrieben wurde, so wurde er in Rom bereits erstmals zum Jahreswechsel 154 zu 153 v. Chr. auf den 1. Januar verlegt. Der Legende nach gab es dafür widersprüchliche, politisch spekulative Gründe. Tatsächlich erfolgte der Wechsel im Jahr 600 nach römischer Zeitrechnung. Mit dem Jahreswechsel wäre man ins siebte Jahrhundert und somit in eine symbolisch andere Dimension eingetreten. Schaut man auf den Wechsel des Jahresbeginns im Hinblick auf die mit ihm verbundenen und symbolträchtigen Monatsverschiebungen, vervollständigt sich das Bild.

 

 

Die Bezeichnung der Monate und die Tage eines Monats

 

Der erste Monat im römischen Kalender war ursprünglich der März. Es ist der Monat des Frühlingsanfangs und der Tagundnachtgleiche. Beginn und Ausgleich waren für die allseits erkannte und bestehende, hierarchische Ordnung wichtige symbolische Leitbilder. Der März war nicht nur dem Kriegsgott Martinus gewidmet. An ihm versammelte man sich auch auf dem Marsfeld in Rom, um in dessen Öffentlichkeit den Dienstpflichtigen ihre Konsuln wählen zu lassen. Die Verlegung des Jahresbeginns auf den 1. Januar war mehr als nur ein unbedeutender, formeller Akt. Er veränderte die Positionen aller Monate im Jahresverlauf um zwei Stellen nach hinten und entwarf darin einen neuen Fokus auf die Symbole des Anfangs. Der ursprünglich Erste (März) wurde zum Dritten und die ursprünglich letzten Monate, Januar (11.) und Februar (12.) wurden zum Ersten und Zweiten. Die (zwei) Letzten wurden die Ersten.

 

Uns fällt heute nur auf, dass die Monate, welche in ihren Namen Zahlen enthalten, nicht mehr mit ihrer einstigen, linearen Verortung übereinstimmen. September (septimus, Siebter) bis Dezember  („dezimus“, Zehnter) sind nicht mehr, wie es ihre Namen sagen, der siebte bis zehnte Monat, sondern der neunte bis zwölfte. Der entstandene Bruch und vor allem seine heute eigenartig erscheinende, andauernde Akzeptanz sagt etwas über den Wert der neu entstandenen Beziehungen in der Zählordnung. Zahlensymbolisch zu denken, war in jener Zeit üblich bis selbstverständlich. Bis zur Neuordnung erschien der Anfang undurchsichtig und numinos. Der mit der neuen Zählordnung fiel ein neues Licht auf ihn. Der Anfang ging nun mit Kriterien einher, die ihn zu durchdringen halfen. Als der Erste zum Dritten wurde, dachte man in einer neuen Dimension. Der Beginn war nun ein von der Dimension der Drei-Einheit geprägter. Deutlich wird das am Monat Januar, dem einst elften Monat, dessen zwei Einsen zwei unterschiedliche Dimensionen miteinander verbinden. Die eine Eins vertritt die Einer, die andere die Zehner. Der an die erste Stelle getretene elfte Monat erzählt von seiner Herkunft aus einer höheren Dimension. Aus ihr schöpft er seine „tonangebende“ Qualität, die sein Name verrät. Dessen Wortstamm ist „anarius“ und bedeutet „Tür“. Die Tür hat zwei Seiten, den Eingang und den Ausgang, wie auch sein öffentlicher Namensgeber, der Gott Janus zwei Blickrichtungen hat, eine nach vorn und eine nach hinten.

 

Wie der erste berichtet jeder ihm folgende Monat auf seine Weise von dem neuen Blick, der die an sich beschränkten Linearitäten überschaut. So berichtet beispielsweise der Februar von der Verknüpfung des Zwölften und Letzten, der er einst war, mit dem nun Zweiten, der er jetzt ist. Die Zahl 12 ist die Zahl der Ordnung. Sie setzt die Spannung zwischen Einheit (1) und Polarität (2) in ein hierarchisch rechtes Verhältnis und stellt das in Form eines Ganzen dar. Sie verfertigt (fabricare?, herstellen) Ordnung und reinigt (februare = reinigen) die Vorstellung vom Zweiten als ein nur Unvollkommenes im Sinne des Zerbrochenen und Minderwertigen. Mit seiner hohen Herkunft aus der Zahl 12 erhält das nun Zweite seine ihm zustehende Würde zurück. Der öffentliche Namensgeber ist der römische Gott „Februus“, der seinen reinigenden Dienst in Ausrichtung auf die Einheit und Ganzheit ausübt.

 

Der Gott Februus gerät wegen seines besonderen Verhältnisses zur Zweiheit leicht ins Zwielicht und wird leicht missverstanden. Nur eine genaue Kenntnis seiner Beziehung zum Archetyp der Zwei wird ihm gerecht. Deutlich wird das an seinen Beinamen. Der römische Februaris wurde als letzter und zwölfter Monat des Jahres auch als „Unterweltsmonat“ bezeichnet und so leicht zum Auslöser von Angst. Sie führt zu falschen, weil verkürzten Assoziationen. Die Zahl Zwölf ist vielmehr die Zahl der Ordnung und Ganzheit und sie wirkt als solche auch im zwölften Monat. Ihr wahrer Kontext wird deshalb erst deutlich, wenn man die geordnete Ganzheit als eine begreift, die ALLES einschließt, so auch die vermeintliche Unterwelt. Dass sie ein integrierter Bestandteil der geordneten Ganzheit ist, erfasst das triviale Bewusstsein meist nur in der Vorstellung einer Vollkommenheit, welche durch Ergänzung durch Sühne zustande kommt. Das aber wird dem hohen Anspruch des „Unterweltmonats“ nicht gerecht.

Die Kalenderreform von Julius Cäsar im Jahre 45 v.Chr. führte auch zu der Aufteilung der 365 Tage auf die einzelnen Monate. Da eine unmittelbar einsichtige oder gar symmetrische Aufteilung auf 12 Monate nicht möglich war, musste man die Ordnung durch „Fehlen“ einerseits und „Überschuss“ andererseits bewerkstelligen. Dass dem Monat Februar nur „übergebührlich“ die Tage in Abzug gebracht werden, weil er einst der letzte Monat war, kann nicht nur nicht belegt werden. Wahrscheinlicher ist die Annahme, dass darin dem stets empfundenen (Ver)Fehlen des jeweils Zweiten symbolisch Ausdruck verliehen werden sollte.

Eine Analogie findet sich in der Symbolik der jüdischen Genesis. Auch dort fehlt dem zweiten Tag der Schöpfung die so wichtige Huldigungsformel („…und siehe, es war gut“) durch die Gottheit, um den Mangel durch die Schöpfung des menschlichen Bewusstseins am 6. Tag mit einer gesteigerten Huldigungsformel („…und siehe, es war sehr gut“) wettzumachen. Der durch Cäsar eingeführte Kalender, der dem Juli und dem August (vormals Sextilis) 31 Tage zuweist, macht Ähnliches. Die oft zu lesende Behauptung, der Monat August wäre bei der Einführung des Julianischen Kalenders nur 30 Tage lang gewesen und er hätte zu Ehren Cäsars einen zusätzlichen Tag erhalten, ist eine nachgewiesene Legende. Im altrömischen Kalender hatte der Sextilis 29 Tage. Im Julianischen Kalender zählte er von Anfang an 31 Tage.

 

Der Vorgang des Erhebens eines scheinbar (Ver)Fehlenden, wie ihn religiöse Mythen beschreiben, findet in Cäsars Kalenderreform eine Parallele. Was Gottheiten taten, das mussten auch die ihn vertretenden Gottmenschen, die Cäsaren tun. Mit dem Tod Julius im Jahr 44 v.Chr. erhielt der Monat „quintilis“ den Namen „iulius“.

 

Der Senat von Rom verlieh 27 v. Chr. seinem damaligen Kaiser (Geburtsname Gaius Octavius) den Ehrennamen „der Erhabene“ (Augustus). Aber erst 8 v. Chr. wurde dann auch der achte Monat des schon seit 153/54 v.Chr. geltenden Julianischen Kalenders so benannt. Bis dahin trug der Monat, der bis zur Neufestlegung des Jahresanfangs auf den 1. Januar zum Jahreswechsel 153/54 v. Chr. noch der sechste Monat des altrömischen Kalenders war, den Namen Sextilis. Octavius hatte in diesem Monat sein erstes Konsulat angetreten. Ihm zum Ruhm wurde der einst sechste Monat „sextilis“ zum „augustus“.

 

 

[1] 365 1/4 Tage sind zugleich 12 2/5 Mondmonate zu 29,5 Tagen.

 

[2] Das erste Wort der biblischen Genesis ist „Im-Anfang“. Es beginnt mit einer Zwei (Polarität), denn der erste Buchstabe ist das Beth, der zweite Buchstabe des Alphabets mit der Bedeutung von „in“. Doch das Substantiv ist der Begriff des „Anfangs“ (Reschit), in dessen Symbolik die Verbindung der Pole zur Triade beschlossen ist.

 

[3] „Silvester“ enthält die lateinische Wortwurzel „silva“, was „Wald“ bedeutet. Danach versteht der sich als „Sylvester“ bezeichnete Papst als ein „Waldmensch“, ein Mensch, der im oft undurchsichtigen Dunkel des Waldes lebt und sich dennoch gut zu orientieren vermag.

 

[4] Mai (das mittelhochdeutsche „meie“ bedeutet „Frühling“). Als dritter und später fünfter Monat des Jahres berichtet er im Bild des Dreiecks oder im Pyramidensymbol von der Erhebung aus der profanen Ebene des Daseins. Als Namensgeber wird die Göttin Maia genannt („Maia Vulcani“, die „Frau des Vulcanus“).

Etymologisch findet man im Namen Maia die Wortwurzel „mag“, die „Wachstum“ oder „Vermehrung“ bedeutet. Inhaltlich verständlich wird sie, wenn man das Prinzip des Erhebens als Grundlage von Fruchtbarkeit begreift. In diesem Sinne wurde im katholischen Kirchenjahr der Mai in sogenannten Maiandachten besonders der Verehrung der Gottesmutter Maria gewidmet.